Erklärung der Arbeitsgruppe Christliche Vision zur erzwungenen Absetzung von Erzbischof Artemij aus der Leitung der Diözese von Grodno

Erklärung der Arbeitsgruppe Christliche Vision zur erzwungenen Absetzung von Erzbischof Artemij aus der Leitung der Diözese von Grodno

Beitrag vom 11. Juni 2021

Am 8. Juni 2021 beschloss die Synode der Belarusischen Orthodoxen Kirche seine Heiligkeit Patriarch Kyrill von Moskau und der ganzen Rus sowie den Heiligen Synod darum zu bitten, Erzbischof Artemij von Grodno und Wolkowyssk „aus gesundheitlichen Gründen in den Ruhestand zu versetzen“. Am 9. Juni 2021 haben die Mitglieder der Heiligen Synode der Russisch-Orthodoxen Kirche die Petition in einer Online-Dringlichkeitssitzung geprüft und beschlossen, Erzbischof Artemij in den Ruhestand zu versetzen. Eine solche Entscheidung ist nach der Satzung der Russischen Orthodoxen Kirche ein “Ausnahmefall” (V.26.a.).

Tatsächlich handelt es sich bei dieser Entscheidung um eine erzwungene Absetzung eines Diözesenbischofs, die mit einem bewusst falschen Grund begründet wird: angeblich “aus gesundheitlichen Gründen”. Wie weit hergeholt dieser Grund ist, zeigt das Fehlen eines Rücktrittsgesuchs von Seiten des Erzbischofs Artemij selbst sowie die Eile und kanonische Nachlässigkeit, mit der diese Entscheidung vollzogen wurde.

Es ist davon auszugehen, dass die eigentliche Ursache für die erzwungene Entlassung von Erzbischof Artemij aus der Diözese von Grodno sowie des Metropoliten Pavel (Ponomarev) vom Stuhl von Minsk darin besteht, dass die Patriarchen-Exarchen im August 2020 in der Öffentlichkeit mutig Position bezogen haben zu der sozio-politischen Krise, die im Sommer 2020 in Belarus begann.

Die Krise, die bis heute andauert, wurde durch die Fälschung der Ergebnisse der Präsidentschaftswahlen und den gewaltsamen Machterhalt des ehemaligen Präsidenten Alexander Lukaschenko sowie durch extreme Gewalt, Massenunterdrückung, Folter und Verfolgung gegen die Bürger der Republik Belarus, die ihren Widerstand gegen die Gesetzlosigkeit, die Verletzung der Verfassungsprinzipien der Demokratie und der Rechtsstaatlichkeit, die grobe Verletzung der grundlegenden Menschenrechte und Freiheiten zum Ausdruck brachten, ausgelöst.

Erzbischof Artemij, der als einer der ersten Kirchenführer als Zeuge der Wahrheit im ewigen Kampf von Gut und Böse auftrat, warnte in seiner Ansprache an die Herde am 14. August prophetisch: “Man darf nicht mit der Wahrheit spielen, sie verdrehen und sie zurechtbiegen, um sie politischen Zwecken anzupassen. Denn die Wahrheit ist das Wertephänomen und die Sinnkategorie, hinter der GOTT steht! Und wenn die Wahrheit in Anführungszeichen genommen wird und sich leicht in eine Lüge verwandelt, dann wird der Eine, der der Vater der Wahrheit ist, mit Füßen getreten! Und ein weiterer Vater betritt die Arena. Der Vater der Lügen. Der, wie wir aus dem Wort Gottes wissen, genannt wird – der Teufel!!! Und lasst alle Fakten des Betrugs, der Gewalt und der Grausamkeit gerecht, ehrlich und offen untersuchen, damit der Gerechtigkeit Genüge getan wird und die Wahrheit triumphiert!”

In seiner Predigt am 16. August erklärte Erzbischof Artemij: “Die Haltung eines Gläubigen ist, dass er mit dem Bösen unversöhnlich ist, er passt sich nicht den Machthabern an, sondern tut, was Christus geboten hat.”

Erzbischof Artemij bezeugte die Wahrheit des Evangeliums nicht nur unter den Bedingungen der politischen Krise. Er ist ein maßgeblicher und angesehener Bischof der Belarusischen Orthodoxen Kirche; seine theologische und pastorale Schule wurde von Tausenden von aktiven jungen Laien, Missionaren und Theologiestudierenden besucht. Er ist ein wahrer Vater für seine Herde, in dessen Diözese die Beziehungen auf der Basis von unanfechtbarer Autorität, gegenseitigem Vertrauen und Respekt aufgebaut werden. In der Diözese von Grodno, die er regierte, gab es einen Laienrat, orthodoxe Jugendbruderschaften sowie eine ökologische Diözesanabteilung.

Mitte August schrieben mehr als 300 Menschen – Priester, Theologen/-innen, Intellektuelle, aktive Laien/-innen, Mitarbeiter der Strukturen der Belarusischen Orthodoxen Kirche einen Brief an seine Eminenz Artemij, in dem sie ihre Dankbarkeit für seine Position und seinen Mut aussprachen.

Der erzwungene Rücktritt von Erzbischof Artemij untergräbt die Autorität der Hierarchie im Kirchenvolk, bei den Laien/-innen und dem Klerus und schadet dem Image der orthodoxen Kirche in der belarusischen Gesellschaft.

Wir lehnen die politisch motivierte erzwungene Absetzung von Erzbischof Artemy und die kanonische Willkür in Bezug auf ihn entschieden ab. Wir verurteilen auf das Schärfste die Aktionen der Synoden der Belarusischen Orthodoxen Kirche und der Russischen Orthodoxen Kirche, die auf die ungerechtfertigte Verfolgung von Erzbischof Artemij abzielen. Wir fordern diejenigen, die aktiv an der Absetzung von Erzbischof Artemij beteiligt waren oder die durch ihr Schweigen das Unrecht gegen ihn unterstützt haben, auf, alle Maßnahmen zur Wiederherstellung der Gerechtigkeit zu ergreifen.
Wir begrüßen von Herzen die Solidarität des Klerus, der Theologen/-innen und der aktiven Laien/-innen der Belarusischen Orthodoxen Kirche mit Erzbischof Artemij, sowie die Solidarität des Klerus und der Gläubigen anderer Konfessionen. Wir nehmen besonders jene Bischöfe zur Kenntnis, die sich geweigert haben, an der kanonischen Gewalt gegen ihren Bruder teilzunehmen.

Arbeitsgruppe Christliche Vision

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