Offener Brief zu den 5. Deutsch-Russischen Friedens-Tagen im Herbst 2024

Offener Brief zu den 5. Deutsch-Russischen Friedens-Tagen im Herbst 2024

Beitrag vom 19. September 2024

Sehr geehrte Damen und Herren,
wir, der Vorstand der Belarusischen Gemeinschaft RAZAM e.V., möchten unsere tiefe Besorgnis über die bevorstehenden 5. Deutsch-Russischen Friedens-Tage zum Ausdruck bringen, die vom Verein Deutsch-Russische Friedenstage Bremen e.V. veranstaltet werden. Obwohl diese Veranstaltungsreihe den Dialog und die Verständigung zwischen Deutschland und Russland fördern soll, halten wir es für notwendig, einige beunruhigende Aspekte anzusprechen.


Erstens sind wir empört darüber, dass Belarus als Spielball der Bemühungen dieses Vereins benutzt wird, pro-russische Narrative zu fördern und zu verbreiten. Belarus ist kein verlängerter Arm Russlands, sondern eine souveräne Nation mit eigener Geschichte, Kultur und Identität. Belarus lediglich als „russische Angelegenheit“ zu behandeln, ist ein Affront gegenüber dem belarusischen Volk und seinem anhaltenden Kampf um Selbstbestimmung. Darüber hinaus stellen wir mit Verwunderung fest, dass der Verein Deutsch-Russische Friedenstage Bremen e. V. es versäumt hat, RAZAM, die einflussreichste belarusische Diaspora-Organisation in Deutschland, zu konsultieren oder einzubeziehen.

Als größte bundesweite Vertretung der in Deutschland lebenden Belarus*innen ist RAZAM das Sprachrohr für unsere Gemeinschaft. Die Nichtberücksichtigung unserer Beiträge führt zu einem schädlichen Narrativ, das die besondere belarusische Erfahrung auslöscht. Zweitens beunruhigt uns die Verwendung der tragischen belarusischen Geschichte, wie z. B. des Massakers von Chatyn (Khatyn), um bei den Deutschen Gefühle der Schuld gegenüber Russland zu wecken. Das Massaker von Chatyn, bei dem unschuldige Zivilist*innen während des Zweiten Weltkriegs brutal ermordet wurden, ist ein zutiefst schmerzhaftes Kapitel der belarusischen Geschichte. Es ist nur eines von Hunderten von belarusischen Dörfern, die während der Nazi-Besatzung samt ihrer Bewohner*innen verbrannt wurden.


Außerdem wurde der Fall Chatyn vor allem durch die russische Propaganda bekannt, die versuchte, die Wahrheit über das Massaker von Katyn zu verschleiern und zu verwirren. Das Massaker von Katyn bezieht sich auf die Massenexekution von 20.000 polnischen Offizieren und Kriegsgefangenen durch sowjetische Streitkräfte im Jahr 1940 – ein Verbrechen, das vom sowjetischen Regime begangen, lange Zeit geleugnet wurde und deren Aufarbeitung von der Seite des russischen Regimes bis heute nicht stattgefunden hat.


Wir sind fest davon überzeugt, dass die Aufarbeitung der Verbrechen des Nazi-Regimes eine Aufgabe ist, die insbesondere heute wieder an Bedeutung gewinnen soll. Diese Ausarbeitung sollte sich jedoch antikolonialer Ansätze bedienen und die ehemalige Sowjetunion nicht pauschal als Russland bezeichnen, sondern souveräne Staaten wie Belarus, die Ukraine, Litauen sowie Polen gesondert betrachten. Gleichzeitig beobachten wir mit großer Besorgnis, dass unter dem Vorwand dieser Aufarbeitung die Verbrechen des sowjetischen Regimes an Belarus*innen, Ukrainer*innen und an vielen weiteren Völkern relativiert, verharmlost oder gar verschwiegen werden. Dass diese Strategie nicht friedensfördernd ist, sondern den Krieg zu begründen versucht, ist offensichtlich und inakzeptabel.


Wir, der Vorstand der Belarusischen Gemeinschaft RAZAM e.V., distanzieren uns unmissverständlich von allen Versuchen der prorussischen Kräfte in Deutschland, historische Fakten zu manipulieren und Belarus und die belarusische Geschichte politisch zu instrumentalisieren. Wir fordern die Bremer Bürgerinnen und Bürger auf, die während der Deutsch-Russischen Friedens-Tage präsentierten Informationen kritisch zu bewerten und gegenüber russischer Propaganda wachsam zu sein.

Lassen Sie uns im Geiste des Friedens und des gegenseitigen Verständnisses einen echten Dialog anstreben, der die Souveränität und Würde aller beteiligten Nationen respektiert.

Mit freundlichen Grüßen
Yuliya Salauyova
1. Vorsitzende
Belarusische Gemeinschaft RAZAM e.V.

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