11 wechselhafte Jahrhunderte
Die Lage im geografischen Zentrum Europas beeinflusste schon immer das Schicksal des Landes: sie ermöglichte den kulturellen und wirtschaftlichen Austausch, brachte andererseits aber auch Krieg und Zerstörung.
Die historischen Wurzeln von Belarus liegen im Herzogtum Połack des 10. Jahrhunderts. Ab 1243 sehen wir den Aufstieg des mächtigen Großfürstentums Litauens, das 1260 erfolgreich den Eroberungszug der Mongolen und Tataren stoppte, 1323 wird Wilna (heute Vilnius) zur Hauptstadt bestimmt. Am Ende des 15. Jahrhunderts umfasst das Großfürstentum neben dem heutigen Belarus Teile Polens, Russlands, Litauens und der Ukraine – und reicht damit von der Ostsee bis in die Steppengebiete am Schwarzen Meer.
1517 erscheint die erste eigene gedruckte Bibelübersetzung auf Alt-Belarusisch – fast 20 Jahre vor der Lutherbibel. Wenige Jahre später, 1529, nimmt das Großfürstentum eine der ersten Verfassungen Europas an. Vierzig Jahre später vereinigen sich das Großfürstentum Litauen und Polen: die Rzeczpospolita entsteht (Polen-Litauen bzw. Polish-Lithuanian Commonwealth, 1569 bis 1795), zu der auch Teile Preußens gehören. Die polnische Kultur und Sprache prägen das Gebiet des heutigen Belarus fortan für über 200 Jahre, Belarusisch wird bald nur noch von der Landbevölkerung gesprochen.
Es folgen die Teilungen Polen-Litauens (1772, 1793 und 1795) und fast das gesamte Gebiet des heutigen Belarus fällt für wiederum über 200 Jahre an das russische Zarenreich (1795-1917).
Das 19. Jahrhundert ist geprägt von einer exzessiven Russifizierung: die Universität von Wilna muss schließen (1832), Russisch wird zur Sprache der Schulausbildung (1836), die Kloster und Kirchen der katholischen Ostkirche weichen der orthodoxen Kirche, die alte litauische Verfassung wird abgeschafft und das heutige Belarus wird zur „Nordwest-Provinz“ des Russischen Reichs (1840). Schließlich wird die lateinische Schrift ganz verboten (1859).
In der Folge kommt es vermehrt zu Aufständen, der berühmteste wird angeführt von Kastuś Kalinoŭski (1863) – begleitet von einer Rückbesinnung auf die eigene, belarusische Sprache und Kultur.
Die historischen Wurzeln von Belarus liegen im Herzogtum Połack des 10. Jahrhunderts. Ab 1243 sehen wir den Aufstieg des mächtigen Großfürstentums Litauens, das 1260 erfolgreich den Eroberungszug der Mongolen und Tataren stoppte, 1323 wird Wilna (heute Vilnius) zur Hauptstadt bestimmt. Am Ende des 15. Jahrhunderts umfasst das Großfürstentum neben dem heutigen Belarus Teile Polens, Russlands, Litauens und der Ukraine – und reicht damit von der Ostsee bis in die Steppengebiete am Schwarzen Meer.
1517 erscheint die erste eigene gedruckte Bibelübersetzung auf Alt-Belarusisch – fast 20 Jahre vor der Lutherbibel. Wenige Jahre später, 1529, nimmt das Großfürstentum eine der ersten Verfassungen Europas an. Vierzig Jahre später vereinigen sich das Großfürstentum Litauen und Polen: die Rzeczpospolita entsteht (Polen-Litauen bzw. Polish-Lithuanian Commonwealth, 1569 bis 1795), zu der auch Teile Preußens gehören. Die polnische Kultur und Sprache prägen das Gebiet des heutigen Belarus fortan für über 200 Jahre, Belarusisch wird bald nur noch von der Landbevölkerung gesprochen.
Es folgen die Teilungen Polen-Litauens (1772, 1793 und 1795) und fast das gesamte Gebiet des heutigen Belarus fällt für wiederum über 200 Jahre an das russische Zarenreich (1795-1917).
Das 19. Jahrhundert ist geprägt von einer exzessiven Russifizierung: die Universität von Wilna muss schließen (1832), Russisch wird zur Sprache der Schulausbildung (1836), die Kloster und Kirchen der katholischen Ostkirche weichen der orthodoxen Kirche, die alte litauische Verfassung wird abgeschafft und das heutige Belarus wird zur „Nordwest-Provinz“ des Russischen Reichs (1840). Schließlich wird die lateinische Schrift ganz verboten (1859).
In der Folge kommt es vermehrt zu Aufständen, der berühmteste wird angeführt von Kastuś Kalinoŭski (1863) – begleitet von einer Rückbesinnung auf die eigene, belarusische Sprache und Kultur.
Eine Gruppe um den belarusischen Interface-Designer Aleksei Cherenkevich hat eine Karte über die Entstehung des modernen Belarus erstellt, um die erstaunliche Geschichte des Landes sichtbar zu machen.
Ende 2022 ist die Webseite nicht mehr abrufbar. Daher verlinken wir hier auf die letzte verfügbare Version im Webarchiv von „Wayback Machine“.
Das sowjetische Jahrhundert
siehe: „Das Jahrhundert der Katastrophen“ →
Das 20. Jahrhundert ist für Belarus ein Jahrhundert der Katastrophen. Am Beginn steht ein blutiger Bürgerkrieg, Stalin lässt in den 1930er Jahren fast die gesamte intellektuelle Elite umbringen. 1941 überfällt Deutschland die Sowjetunion: allein in Belarus fielen von den vormals 940.000 Juden 800.000 dem Holocaust zum Opfer. Am Ende des Zweiten Weltkriegs sind bis zu 1,7 Mio. Tote zu beklagen, ein Viertel der damaligen Bevölkerung. 1986 dann die Katastrophe von Tschernobyl: der größte Teil des radioaktiven Fallouts geht über Belarus nieder.
Nach dem Untergang des Zarenreiches wird am 25. März 1918 die Belarusische Volksrepublik ausgerufen, hat jedoch nur anderthalb Jahre Bestand bis 1919 die Rote Armee einmarschiert.
Als Belorussische Sozialistische Sowjetrepublik (BSSR, 1919 bis zur Auflösung der Sowjetunion 1991) existiert das Land über 70 Jahre im Verbund der Sowjetunion und wird, wie kaum eine andere Republik, russifiziert bzw. sowjetisiert.
Das Land erlebt eine „Turbo-Modernisierung“: im vorher ländlich geprägten Belarus entwickeln sich Industrie und Wissenschaft rasant. Die vormals beschauliche Provinzhauptstadt Minsk wird infolge eines radikalen Stadtumbaus (vor allem nach dem Zweiten Weltkrieg) und dem Zuzug der Landbevölkerung zu einer Millionenstadt.
siehe: „Das Jahrhundert der Katastrophen“ →
Das 20. Jahrhundert ist für Belarus ein Jahrhundert der Katastrophen. Am Beginn steht ein blutiger Bürgerkrieg, Stalin lässt in den 1930er Jahren fast die gesamte intellektuelle Elite umbringen. 1941 überfällt Deutschland die Sowjetunion: allein in Belarus fielen von den vormals 940.000 Juden 800.000 dem Holocaust zum Opfer. Am Ende des Zweiten Weltkriegs sind bis zu 1,7 Mio. Tote zu beklagen, ein Viertel der damaligen Bevölkerung. 1986 dann die Katastrophe von Tschernobyl: der größte Teil des radioaktiven Fallouts geht über Belarus nieder.
Nach dem Untergang des Zarenreiches wird am 25. März 1918 die Belarusische Volksrepublik ausgerufen, hat jedoch nur anderthalb Jahre Bestand bis 1919 die Rote Armee einmarschiert.
Als Belorussische Sozialistische Sowjetrepublik (BSSR, 1919 bis zur Auflösung der Sowjetunion 1991) existiert das Land über 70 Jahre im Verbund der Sowjetunion und wird, wie kaum eine andere Republik, russifiziert bzw. sowjetisiert.
Das Land erlebt eine „Turbo-Modernisierung“: im vorher ländlich geprägten Belarus entwickeln sich Industrie und Wissenschaft rasant. Die vormals beschauliche Provinzhauptstadt Minsk wird infolge eines radikalen Stadtumbaus (vor allem nach dem Zweiten Weltkrieg) und dem Zuzug der Landbevölkerung zu einer Millionenstadt.
Die Republik Belarus
Der Übergang von der Sowjetunion zur Republik Belarus vollzieht sich nicht abrupt. Er prägt die Jahre 1990 und 1991.
Chronologie der Ereignisse
Der „letzte Diktator Europas“
Die Wahl von Lukaschenko zum Präsidenten 1994 beendet abrupt das kurze demokratische Zwischenspiel. In den ersten 5 Jahren seiner Amtszeit lässt er die Verfassung umschreiben und sicher sich umfangreiche Machtbefugnisse zu.
Die demokratischen Institutionen wie Parlament und Verfassungsgericht sind bis 1999 ausgehöhlt und damit keine „Bedrohung“ mehr für ihn. Die Wahlen werden zu einer Farce, aussichtsreiche Kandidaten werden nicht zugelassen und im Vorfeld nicht selten inhaftiert.
Bereits in den ersten Jahren verschwinden mehrere seiner Opponenten und ein Journalist. Veranstaltungen der Opposition, wie der traditionelle Tschernobyl-Marsch oder der „Tag der Freiheit“ am 25. März, geraten ins Visier der Sicherheitskräfte, die mit zunehmender Härte gegen die Teilnehmenden vorgehen.
Die großen Protestbewegungen von 2006 und 2010 („Ploshtsha“) scheitern an der brutalen Antwort des Staates. Nach 2010 ist es kaum noch möglich, politisch aktiv zu sein im Land. Auch die Proteste von 2017 (gegen das sogenannte „Schmarotzer-Gesetz“) können keinen Wandel herbeiführen.
Umso mehr ist die Welt – wie auch das Regime – überrascht vom Ausmaß der gewaltfreien Massenproteste des Jahres 2020 nach den, wieder einmal, gefälschten Präsidentschaftswahlen, mit denen sich Lukaschenko eine 6. Amtszeit sichern will. International wird er als illegitimer Machthaber isoliert, nur wenige Länder und Russland, erkennen Lukaschenko weiterhin als Präsidenten an. Seit den Protesten hat sich das Regime in rasender Geschwindigkeit radikalisiert und überzieht Belarus mit massiven Repressionswellen. Seit 2021 müssen wir von einem totalitären Staat mitten in Europa sprechen.
Die Wahl von Lukaschenko zum Präsidenten 1994 beendet abrupt das kurze demokratische Zwischenspiel. In den ersten 5 Jahren seiner Amtszeit lässt er die Verfassung umschreiben und sicher sich umfangreiche Machtbefugnisse zu.
Die demokratischen Institutionen wie Parlament und Verfassungsgericht sind bis 1999 ausgehöhlt und damit keine „Bedrohung“ mehr für ihn. Die Wahlen werden zu einer Farce, aussichtsreiche Kandidaten werden nicht zugelassen und im Vorfeld nicht selten inhaftiert.
Bereits in den ersten Jahren verschwinden mehrere seiner Opponenten und ein Journalist. Veranstaltungen der Opposition, wie der traditionelle Tschernobyl-Marsch oder der „Tag der Freiheit“ am 25. März, geraten ins Visier der Sicherheitskräfte, die mit zunehmender Härte gegen die Teilnehmenden vorgehen.
Die großen Protestbewegungen von 2006 und 2010 („Ploshtsha“) scheitern an der brutalen Antwort des Staates. Nach 2010 ist es kaum noch möglich, politisch aktiv zu sein im Land. Auch die Proteste von 2017 (gegen das sogenannte „Schmarotzer-Gesetz“) können keinen Wandel herbeiführen.
Umso mehr ist die Welt – wie auch das Regime – überrascht vom Ausmaß der gewaltfreien Massenproteste des Jahres 2020 nach den, wieder einmal, gefälschten Präsidentschaftswahlen, mit denen sich Lukaschenko eine 6. Amtszeit sichern will. International wird er als illegitimer Machthaber isoliert, nur wenige Länder und Russland, erkennen Lukaschenko weiterhin als Präsidenten an. Seit den Protesten hat sich das Regime in rasender Geschwindigkeit radikalisiert und überzieht Belarus mit massiven Repressionswellen. Seit 2021 müssen wir von einem totalitären Staat mitten in Europa sprechen.
Die friedliche Revolution
Seit den Protesten hat sich das Regime in rasender Geschwindigkeit radikalisiert und überzieht Belarus mit massiven Repressionswellen. Seit 2021 müssen wir von einem totalitären Staat mitten in Europa sprechen.
Seit den Protesten hat sich das Regime in rasender Geschwindigkeit radikalisiert und überzieht Belarus mit massiven Repressionswellen. Seit 2021 müssen wir von einem totalitären Staat mitten in Europa sprechen.