Wir trauern um Hanna Kandratsenka und Tamara Karavaj!

Wir trauern um Hanna Kandratsenka und Tamara Karavaj!

Beitrag vom 21. Mai 2025

Die ehemaligen politischen Gefangenen Hanna Kandratsenka und Tamara Karawaj sind wenige Monate nach ihrer Entlassung aus der Strafkolonie Nr. 4 in Homel gestorben. Das berichten die Menschenrechtsorganisation Viasna und das Internetportal Nasha Niva. Hanna Kandratsenka wurde nur 39 Jahre alt, Tamara Karavaj nur 45 Jahre. Beide waren zu mehrjähriger Haft im Straflager und Zwangsarbeit verurteilt. Ihr einziges “Verbrechen” waren das Verfassen von online Kommentaren und das Posten von Likes zu regimekritischen Artikeln im Internet.

Hanna Kandratsenka starb am 5. Februar 2025 an den Folgen von Gebärmutterhalskrebs, der während ihrer dreijährigen Haft in der Strafkolonie Nr. 4 in Homel diagnostiziert wurde.  Nach der Diagnose wurde sie zur kurzfristigen Therapie in eine onkologische Klinik in Homel eingewiesen, anschließend jedoch wieder in das Straflager überstellt. Trotz ihrer schweren Erkrankung hat man sie nicht vorzeitig entlassen. Hanna wurde erst nach der vollständigen Verbüßung ihrer Strafe am 20. Juni 2024 freigelassen.

Hanna ist in der Agrarstadt Vaynilavichy im Bezirk Chavusky geboren worden, lebte jedoch bis zu ihrer Verhaftung in einer kleinen Mietswohnung in Mahiliou und arbeitete dort als Verkäuferin in einem kleinen Kiosk. Ihre kranke Mutter war ihre Familie, um die sie sich kümmerte.

Hanna wurde zu drei Jahren Gefängnis verurteilt, weil sie Online-Kommentare zu Artikeln gepostet hatte – sie wurde zweimal vor Gericht gestellt.

Gegen Hanna Kandratsenka wurde Anklage aufgrund von drei Paragraphen des Strafgesetzbuches erhoben: “Beleidigung eines Regierungsbeamten”, “Beleidigung Lukashenkas” und “Beleidigung eines Richters”. Am 12. Juli 2022 befand das Gericht Kandratsenka für schuldig und verurteilte sie zu drei Jahren Haft in einer Strafkolonie sowie zu einer Geldstrafe von 3.200 belarusische Rubel (ca. 860 Euro). Sie wurde zur Verbüßung ihrer Strafe in die Kolonie Nr. 4 nach Homel überstellt. Am 11. Juli 2023 stellte man Hanna Kandratsenka als Gefangene erneut aufgrund Beleidigung eines Behördenvertrters (§ 369 des Strafgesetzbuches) vor Gericht und verurteilte sie zu einem weiteren Jahr Gefängnis sowie zu einer Geldstrafe.

Die ersten Tage von Hanna im Straflager beschreibt die Mitgefangene Iryna Schchasnaya wie folgt: 

„Hanna landete in unserer Einheit und zusammen mit Mascha Kalenik waren wir die Ersten, die sie dort traf. Schon auf den ersten Blick war klar: Hanna hatte ein schweres, schmerzliches Schicksal hinter sich. Sie war misstrauisch, vertraute fast niemandem, als würde sie ständig auf einen neuen Schlag des Lebens warten. Masha und ich begannen nach und nach, vorsichtig einen warmherzigen und sicheren Ort für sie zu schaffen. Wir redeten mit ihr, unterstützten sie, versuchten, ihr den Alltag ein wenig zu erleichtern. Und so begann Hanna sich zu öffnen und Vertrauen zu fassen. Sie hat keinen Hehl daraus gemacht, dass sie dieses System hasste – sie hat ihre Gedanken zu den Geschehnissen klar formuliert.“

Hanna Kadrantsenkas Mutter konnte ihre Tochter aufgrund ihrer Mindestrente und ihrer Krankheit weder besuchen noch unterstützen. Daher hatte Hanna im Winter keine warme Kleidung. Mitinsassinnen beschrieben ihren Zustand als offensichtlich unterernährt. Zusätzlich zu der Krebserkrankung litt Hanna an Schuppenflechte, die sich während ihrer Zwangsarbeit als Näherin von mit chemischen Substanzen verseuchten Stoffen verschlimmerte.

Am 5. Februar 2025 starb Hanna Kondratenka an den Folgen der Krebserkrankung: Sie erlebte ihren 40. Geburtstag nicht mehr und wurde in ihrer Heimatstadt Vaynilavichy zu Grabe getragen.

Tamara Karavaj, eine 45-jährige ehemalige politische Gefangene, ist Ende April 2025 gestorben. Die Todesursache ist ungeklärt.

Tamara Karavaj arbeitete als Reinigungskraft in Luninez und verkaufte anschließend Schuhe auf dem Markt. Vor ihrer Verhaftung arbeitete sie in Teilzeit als Krankenschwester und lebte mit ihrem Lebensgefährten und ihrem Sohn zusammen, der zur Zeit der Verhaftung noch minderjährig war. 

In Luninez wurde Tamara wegen „Beleidigung Lukashenkas“ zu zwei Jahren Straflager durch die Richterin Katsiaryna Kleuzhyts verurteilt. Ihr „Verbrechen“ bestand darin, einen Beitrag auf der Website Odnoklassniki (dt. KlassenkameradInnen) zu liken, in dem Lukashenka als Diktator bezeichnet wurde. Tamara Karavaj wurde drei Monate vor Ablauf ihrer Haftstrafe im August 2024 begnadigt. Etwa 8 Monate später erreichte uns die Nachricht über ihren Tod.

 

Seit 2021 sind bereits 7 Menschen in belarusischen Gefängnissen gestorben.

Nach Angaben des Menschenrechtszentrums Viasna sind ca. 1.200 Personen zurzeit in Belarus als politische Gefangene anerkannt.  Die Haftbedingungen in Belarus sind lebensgefährlich, es gibt über 200 medizinische Notfälle von politischen Gefangenen. Sie alle sind in Lebensgefahr. Zu vielen politischen Gefangenen gibt es kaum oder gar keinen Kontakt, zu einigen seit über 2 Jahren.

Unsere herzliche Anteilnahme und unser Mitgefühl gilt den Angehörigen von Hanna Kandratsenka und Tamara Karavaj. Weiterhin sorgen wir uns gemeinsam mit den Angehörigen und Freund*innen aller politischen Gefangenen um deren Gesundheit und Leben. Mit allen Belarus*innen und solidarischen Menschen auf der ganzen Welt werden wir uns weiterhin für die Freilassung aller politischen Gefangenen in Belarus und für die Strafverfolgung aller Beteiligten und Unterstützenden des Lukashenka-Regimes einsetzen.

 

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