Echoes of Silence: Politische Gefangene in Belarus

Echoes of Silence: Politische Gefangene in Belarus

Beitrag vom 5. Juli 2023

Am 03. Juli fand in Berlin das zweite Medienfrühstück im Rahmen des vom Auswärtigen Amts geförderten Projekts „Europäisches Netzwerk für Belarus“ statt. Unter dem Titel „Echoes of Silence: Politische Gefangene in Belarus“ waren Journalistinnen eingeladen zum Gespräch mit MdB Robin Wagener, Liudmila Kazak, Tatsiana Khomich und Macro Fieber (Libereco e.V). Die Veranstaltung wurde von Ina Rumiantseva moderiert.

Der Hintergrund: Mindestens 1.500 Menschen sind unschuldig inhaftiert in Belarus. Der Gefängnisalltag ist geprägt von unmenschlichen Bedingungen, täglichen Schikanen und selbst Folter. Schlimmer noch: Seit Monaten gibt es von etlichen Gefangenen keine Nachrichten mehr. Unter ihnen sind bekannte Persönlichkeiten wie Maria Kalesnikava oder der Präsidentschaftskandidat Viktar Babaryka, der schwer misshandelt in ein Krankenhaus eingeliefert wurde und über dessen Verbleib und Zustand wir bis heute nichts wissen.

Dennoch hat sich ein ratloses Schweigen in Europa ausgebreitet: Im Schatten des Krieges in der Ukraine wird kaum noch über diese humanitäre Katastrophe an Europas Grenze berichtet.

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Tatsiana Khomich, die Schwester von Maria Kalesnikava, und Liudmila Kazak, ihre ehemalige Anwältin, schilderten eindrücklich die Lage der Gefangenen in Belarus und wie schwierig es inzwischen ist, überhaupt noch anwaltliche Unterstützung für einen politisch motivierten Prozess zu finden

Bundestagsabgeordneter: Über die Freilassung von politischen Gefangenen muss mit dem Lukaschenka-Regime „auf einer grundsätzlicheren Ebene“ verhandelt werden.

Es ist wichtig, dem Regime von Alexander Lukschenko klarzumachen, dass es illegitim ist und dass es keine Nachsicht für Repression und Betrug geben wird, sondern dass die Freilassung der politischen Gefangenen „auf einer grundsätzlicheren Ebene versucht werden sollte“. Dies erklärte der Bundestagsabgeordnete Robin Wagener auf der Veranstaltung „Echo des Schweigens: Politische Gefangene in Belarus“ am 3. Juli in Berlin.

Der Parlamentarier ist ein symbolischer „Pate“ des aus politischen Gründen verurteilten Journalisten Ihar Losik und seiner Frau Daria sowie Initiator der parlamentarischen Gruppe der Freunde des demokratischen Belarus.

„Für uns ist es sehr wichtig, dass politische Gefangene nicht isoliert und aus dem Leben gelöscht werden. <…> Das Regime darf mit seinen Versuchen, die politischen Gefangenen zu isolieren und sie in Vergessenheit geraten zu zu lassen, keinen Erfolg haben“, so Wagener. – Heute ist Belarus für Deutschland von strategischem Interesse. Wir haben lange Zeit die Bedrohungen falsch eingeschätzt, haben nicht an Belarus gedacht und viele außenpolitische Fehler in Bezug auf Belarus gemacht; jetzt ist es an der Zeit, aus diesen Fehlern zu lernen und zu verstehen, welche Länder uns am nächsten sind“.

Nach Ansicht des Abgeordneten kann sich die deutsche Position zu Belarus in „zwei scheinbar widersprüchliche Richtungen“ bewegen.

„Die Regierung sucht nach Möglichkeiten, um ihre Ziele [die Freilassung politischer Gefangener] auf einer niedrigeren Ebene zu erreichen“, sagte er. – Nur in Einzelfällen ist es möglich, eine Verbesserung oder Freilassung zu erreichen, auch wenn dies unserem politischen Druck zuwiderläuft. Wir können die Kommunikation fortsetzen, um den Menschen zu helfen, die inhaftiert sind. Aber in jedem Einzelfall müssen diese Maßnahmen auf den jeweiligen Fall zugeschnitten sein.

Wagener nannte es einen Fehler, dass Deutschland lange Zeit „zu sehr auf Russland fokussiert“ war und mit einem „undemokratischen System, aber mit guten wirtschaftlichen Projekten“ arbeiten wollte.

„In diesem Zusammenhang wurde Belarus nicht ernst genommen, es wurde vergessen“, räumte der Parlamentarier ein. – Ja, im Jahr 2020 und vor allem nach der Situation mit dem Ryanair-Flugzeug (wurde im Mai 2021 in Minsk gewaltsam geentert. – BPN.) folgten Sanĸtionen, aber ich denke, wir hätten härter reagieren können. Jetzt ist es wichtig, dass wir die Dinge differenziert betrachten und verstehen, wie wir mit dem Diktatorenregime umgehen können. Einerseits ist es notwendig, Sanktionen gegen das Regime zu unterstützen und andererseits den Menschen zu vermitteln, dass es eine europäische Perspektive für ein freies, demokratisches Belarus gibt. Wir sollten den Menschen die Möglichkeit geben, zu reisen und ihnen den Weg in die EU öffnen“.

Nach Ansicht von Wagener ist es notwendig, der belarusischen Frage ständige Aufmerksamkeit zu schenken, auch in den Medien, die Familien der politischen Gefangenen zu unterstützen und dem Lukaschenko-Regime zu erklären, dass es „viele Ansichten über die Situation in Belarus gibt“.

„Die Verantwortung der Täter muss im Fokus bleiben. Wir sollten sie über die [künftige] Strafverfolgung [für ihre Handlungen] informieren, einschließlich der Strafverfolgung“, so der Abgeordnete.

Der Parlamentarier hält es für notwendig, „die Verfahren zur Erteilung humanitärer Visa zu erweitern und zu vereinfachen“, damit die unterdrückten Belarusen nicht im Land gefangen bleiben, nach ihrer Freilassung „nicht unter den Folgen leiden“ und „die Möglichkeit haben, nach Deutschland zu reisen“.

„Immer wieder stellen wir die Frage nach der Einführung von Stipendien für Medienvertreter, Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens, Menschenrechtsaktivistenĸ und Journalisten. <…> Das alles sind inzwischen strategische Interessen des Bundestages“, resümierte der Parlamentarier.

Veröffentlichung mit freundlicher Genehmigung des Projekts Pozirk des ehemaligen Navin.by-Teams (bpn-pozirk.online)

Am 23. März fand in Berlin das erste Medienfrühstück im Rahmen des vom Auswärtigen Amts geförderten Projekts „Europäisches Netzwerk für Belarus“ statt. Unter dem Titel „The Art of Protest: Belarusische Kulturschaffende in der Zeitenwende“ waren Journalistinnen eingeladen zum Gespräch mit dem Regisseur Aliaksei Paluyan, der Kulturmanagerin Anna Chistoserdova, der Künstlerin Ludmila Pogodina, dem Dichter Dmitri Strotsev sowie der Intendantin von „Musik der Jahrhunderte“, Christine Fischer, die seit vielen Jahren belarusische Kunst- und Kulturschaffende unterstützt und sich für die Freilassung von Maria Kalesnikava einsetzt. Die Veranstaltung wurde von Chryscina Darapei moderiert.

Das Medienfrühstück warf ein Schlaglicht auf die dramatische die Lage in Belarus der freien Kunst- und Kulturszene in Belarus – denn diese gibt es heute nicht mehr. 149 Kulturschaffende sitzen heute im Gefängnis – das sind 10% aller politischen Gefangenen in Belarus. Wer den Häschern des Regimes entkam, ging ins Exil.

Und während es viel Kraft braucht, um die erlebten Traumata zu verarbeiten und in der Fremde eine neue Existenz aufzubauen, bilden sich neue Netzwerke und entstehen Projekte, die die europäische Kunst- und Kulturszene bereichern und befruchten.

So berichtete Aliaksei Paluyan von der kürzlichen Gründung der belarusischen Filmakadamie. Anna Chistoserdova verwies darauf, wie zahlreich belarusische Künstler:innen auf der 50. documenta in Kassel, auf der manifesta und auf der 59. Berlinale vertreten waren. Und Dmitri Strotsev unterstrich die überragende Bedeutung der Literatur für die belarusische Gesellschaft: die europaweite Nachfrage nach den im Verlag Hochrote erscheinenden belarusischen Büchern übersteige inzwischen das Angebot von Büchern für den deutschen Markt.

Im Laufe des Jahres werden weitere Medienfrühstücke folgen. Mehr Infos unter press@razam.de.

Bericht bei rbb Kultur (23.03.2023):
DIE KUNST- UND KULTURSZENE IN BELARUS

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