Wir trauern um Ihar Lednik (†20.02.2024)

Wir trauern um Ihar Lednik (†20.02.2024)

Beitrag vom 21. Februar 2024

Wieder ist ein politischer Gefangener in Belarus zu Tode gekommen!

Zwei Tage nach unserem Statement vom 18. Februar 2024 “Jahr des Schweigens – lasst sie nicht die Nächsten sein”, in der wir auf die brutale Situation von politischen Gefangenen in Belarus aufmerksam gemacht haben, erreichte uns die schreckliche Nachricht, dass  Ihar Lednik, ein politischer Gefangener des Lukashenko-Regimes am 20.02.2024 in der Strafkolonie in Babruisk zu Tode gekommen ist. 

Ihar Lednik war ein ehemaliges Mitglied der Belarusischen Sozialdemokratischen Partei (Hramada), sowie ein Journalist und eine Persönlichkeit des öffentlichen Lebens. Er wurde am 12. April 2022 nach der Veröffentlichung seines Artikels  „Die international anerkannte Neutralität von Belarus – eine Sicherheitsgarantie in der OSZE-Region“ festgenommen und zu drei Jahren Gefängnis wegen „Verleumdung“ Lukaschenkos verurteilt. Darüber hinaus stuften die Behörden das Facebook-Profil von Ihar Lednik als „extremistisches Material“ ein. Ihar trat aktiv für die Auflösung des Unionsstaates von Belarus und  Russland ein. Er kritisierte die Auflösung des Obersten Rates durch Lukaschenko, die zur Errichtung eines diktatorischen Regimes und zum Verlust der staatlichen Souveränität von Belarus gegenüber Russland führte. Ihar Lednik sah in diesem Akt eine klare Verletzung des Budapester Memorandums  und dessen Sicherheitsgarantien der Alliierten von 1994 gegenüber Belarus.  

Nach seiner Inhaftierung verschlechterte sich Ihars Gesundheitszustand erheblich. Er unterzog sich einer Operation am Magen-Darm-Trakt. Darüber hinaus hatte Ihar aufgrund einer diagnostizierten Herzerkrankung mit massiven gesundheitlichen Einschränkungen zu kämpfen. Ihar Lednik starb im Minsker Bezirkskrankenhaus, in das er viel zu spät aus der Strafkolonie überführt wurde.

Im Rahmen einer Solidaritätskundgebung am 28. Januar 2024 hat der Kölner Bürgermeister Andreas Wolter zusammen mit Vertreter*innen der belarussischen Diaspora Briefe und Postkarten an politische Gefangene in Belarus geschrieben. Eine davon war an Ihar Lednik adressiert. Sie wird ihn nie erreicht haben.

Wir trauern um Ihar Lednik und um die vor ihm zu Tode gekommenen Inhaftierten:

Der 50-jährige Vitold Aschurak (†21.05.2021) wurde wegen seiner Teilnahme an den Protesten 2020 zu fünf Jahren Haft verurteilt. Offizielle Todesursache waren Kopfverletzungen, die er sich angeblich bei einem Sturz zugezogen hatte.

Der 61-jähriger Blogger und Bürgerrechtler aus Pinsk Mikalai Klimowitsch (†05.05.2023) wurde wegen einer Lukaschenko-Karikatur zu einem Jahr Haft verurteilt. Er litt unter einer schweren  Herzerkrankung

Der 57-jährige Künstler Ales Puschkin (†11.07.2023) verbüßte eine fünfjährige Haftstrafe wegen Volksverhetzung und Schändung staatlicher Symbole in einem Gefängnis der Stadt Grodno. Seine Todesursache ist unbekannt.

Der 50-jährige politische Gefangene Vadzim Khrasko (†08./09.01.2024) wurde wegen einer Spenden zu drei Jahren Haft verurteilt. Als offizielle Todesursache gaben die Behörden eine Lungenentzündung an.

Nach Angaben des Menschenrechtszentrums Viasna sind 1.422 Personen zur Zeit in Belarus als politische Gefangene anerkannt. Unter den politischen Gefangenen gibt es viele Rentner*nnen sowie Menschen mit Behinderungen und mit schweren Krankheiten. Für Menschen aus diesen vulnerablen  Gruppen ist die Inhaftierung eine noch härtere Herausforderung als für andere. Oft verschlechtert sich ihr Gesundheitszustand im Zuge der Inhaftierung, weil sie nicht rechtzeitig Hilfe erhalten, keinen Zugang zu regelmäßigen ärztlichen Untersuchungen und notwendigen medizinischen Mitteln erhalten. Jede*r politische*r Gefangene in Belarus schwebt unter diesen Bedingungen in Todesgefahr. Und jeder Todesfall in Haft ist ein politisch motivierter Mord durch das Lukaschenko-Regime. 

Wir sind erschüttert angesichts des erneuten Todesfalles eines politischen Gefangenen in Belarus und fordern alle demokratischen Kräfte in Deutschland, in Europa und der internationalen Staatengemeinschaft auf, das Lukashenko-Regime für die völkerrechtswidrigen Haftbedingungen zur Verantwortung zu ziehen. Alle Anstrengungen müssen unternommen werden, um die politischen Gefangenen unverzüglich freizulassen. 

Gleichzeitig gilt unser allerherzlichstes Beileid und tiefstes Mitgefühl den Angehörigen von Ihar Lednik. Wir trauern auch mit den Familien von Vitold Aschurak, Mikalai Klimowitsch, Ales Puschkin und Vadzim Khrasko  um ihren Verlust. Gemeinsam mit den Angehörigen und Freund*innen aller politischen Gefangenen sorgen wir uns um deren Gesundheit und Leben. Mit allen Belarus*innen und solidarischen Menschen auf der ganzen Welt werden wir uns weiterhin für die Freilassung aller politischen Gefangenen in Belarus einsetzen. 

Teile diesen Beitrag:

Teile diesen Beitrag:

Schreiben Sie uns:

Schreiben Sie uns